"The Effect of Intense Multi-sensory Stimulation on Coma Arousal and Recovery"
"Der Effekt der intensiven Multisensorischen Stimulation zur Komaerweckung und -genesung"
von
Glenn Doman, Rosalise Wilkinson
The Institutes for the achievement of Human Potential, Philadelphia, USA
Mihai D.Dimancescu
Winthrop University Hopital, Mineola, New York, USA
Ralph Pelligra
NASA, California, USA
Veröffentlicht in "Neuropsychological Rehabilitation" 1993, 3,(2) 203 -212
Übersetzung in Kurzfassung durch Ruth Tellert-Weigand, Dipl. Med.Päd.
Zweck dieser Studie war die Einschätzung der möglichen therapeutischen Vorteile der Intensiven Multisensorischen Stimulation (IMS) in der Behandlung von anhaltenden Komata.
200 Patienten mit Glasgow Coma Scale (GCS) 6 und niedriger bei der Aufnahme in die Studie und ebenso eine Woche später wurden in die Behandlung durch IMS eingeschlossen. 27 Patienten nach Hirnschädigung befanden sich seit einem Monat im Koma. Die anderen 173 befanden sich im Durchschnitt seit 6 Monaten im Koma, der längste Zeitraum war 2 Jahre bis zum Beginn der IMS. Alle Patienten waren nach Aktenlage als „hoffnungslos" eingestuft und als persistent vegetative state (PVS) anhaltender vegetativer Status = Wachkoma dokumentiert.
Das Outcome dieser Patienten wurde mit 33 Patienten einer Kontrollgruppe mit vergleichbarem Alter, Geschlecht, Ursache der Schädigung und Glasgow Coma Scale, die keine IMS erhielten, verglichen.
34,5% der IMS Gruppe zeigten eine moderate bis gute Genesung in Bezug auf die Glasgow Outcome Scores GOS, 56,5% waren noch immer körperlich schwer beeinträchtigt mit motorischen Defiziten, aber aus dem Koma erwacht und einige von diesen zeigten noch Fortschritte. 9% verblieben im Wachkoma
FAZIT: Die Ergebnisse der Studie unterstützen früher gemachte Beobachtungen, dass die schlimmen Prognosen nicht auf alle Patienten im akuten bzw. chronischen Koma zutreffen. Das Outcome von Patienten beider Komaformen kann durch IMS deutlich beeinflusst werden.
Wir sind überzeugt, dass ein Koma durch eine Hirnschädigung kein isoliertes Phänomen ist, sondern stattdessen ein Teil eines Kontinuums, das sich vom Tod und dauerhaftem Koma auf der einen Seite der Skala bis zur sehr leichten Hirnverletzung, Normalität und Überlegenheit auf der anderen Seite erstreckt. Wir sind des Weiteren überzeugt, dass zeitliche und angemessene therapeutische Behandlungen den Patienten sehr oft entlang dieses Kontinuums bewegen können - von tiefem Koma bis zur Normalität.
Wir wurden über einen Zeitraum von 40 Jahren durch die ambulante und stationäre Behandlung von über 15000 hirnverletzten Kindern und Erwachsenen zu diesen Erkenntnissen geführt. Im Gegensatz dazu wird in der traditionellen Sicht das Koma als nicht durch therapeutische Handlungen beeinflussbar betrachtet.
Die Behandlung von Komapatienten besteht für die meisten aus unterstützender Pflege, während man auf spontane Genesung wartet bzw. es ins bleibende Koma übergeht. [...]
Der prognostische Pessimismus und die therapeutische Unfähigkeit, die oft mit Wachkoma verknüpft wurden, basierten nicht auf kontrollierten klinischen Studien, die verschiedene Behandlungen miteinander vergleichen. Diese leiten sich eher von der traditionellen und in unserer Sicht veralteten Vermutung ab, dass das verletzte Gehirn nicht fähig ist sich selbst zu reparieren und zum verletzten Gehirn keine Zugangsmöglichkeit besteht, außer durch einen neurochirurgischen Eingriff.
Im Gegensatz dazu zielen unsere Behandlungsprogramme direkt auf das verletzte Zentrale Nervensystem hin und beruhen hauptsächlich auf der sensorischen Stimulation mit gesteigerter Intensität, Häufigkeit und Ausdauer kombiniert mit den höchsten Standards der Medizin, Pflege, Ernährung und Physiotherapie.
Ein Grundstein unseres Herangehens ist die Tatsache, die von Neurophysiologen vor mehr als einem halben Jahrhundert erkannt wurde und von der modernen neurowissenschaftlichen Literatur durch eine unbestreitbare Ansammlung von Beweisen bestätigt wird: Das Gehirn wächst durch den Gebrauch und ist abhängig von externen Stimuli und Ernährung. Ebenso ist das Gegenteil bewiesen.
Sensorische Vereinsamung führt zur körperlichen Deprivation des Gehirns und Funktionsverlust. [...]
Insgesamt wurden 200 Patienten mit Glasgow Coma Scale (GCS) von 3 bis 6 bei Messung in die Studie aufgenommen (Aufnahme erfolgte nur in die Studie, wenn GCS bei der ersten Messung, nach 6 Stunden, nach 24 Stunden und nach einer Woche immer bei 6 oder darunter lag). Alle Patienten ohne klinische oder EEG-Aktivität des zentralen Nervensystems („Hirntod") wurden ausgeschlossen. Alle Patienten wurden nicht mehr mechanisch beatmet und waren zum Zeitpunkt der Zulassung zur IMS medizinisch stabil. Die Altersverteilung lag zwischen 1 Jahr (2 Patienten) und 80 Jahren (2 Patienten) mit der größten Anzahl an Patienten zwischen 13 und 24 Jahren (83 Patienten). Das Durchschnittsalter war 23,4 Jahre. Die Geschlechterverteilung war 1 Frau auf 2
Männer (66 Frauen, 134 Männer).
Gründe für die Komata waren hauptsächlich Schädelhirntraumata (SHT) (121 Patienten). Beinahe-Ertrinken lag in 28 Fällen vor, unzureichende Sauerstoffversorgung = Hypoxie (aus anderen Gründen als Beinahe-Ertrinken) in 51 Fällen. Nachbetreuungsphasen lagen zwischen 3 Monaten und 15 Jahren.
Alle Patienten wurden einer Angiographie und/oder einer axialen Computertomographie (CAT) sowie einem Kernspintomographie (MRI) unterzogen.
Alle Patienten wurden anfänglich nach der GCS eingeordnet und diejenigen mit eine GCS von 7 -15 wurden von dieser Studie ausgeschlossen. Die Messung wurde nach 6 Stunden, nach 24 Stunden und nach einer Woche wiederholt. Anzeichen von Hirnstammverletzungen wurden bei Aufnahme der Studie bewertet und danach periodisch nachkontrolliert.
Alter in Jahren
Anzahl Patienten
IMS Behandlungsgruppe
Ursache der Schädigung
0-4
25
24 Hypoxie, 1 SHT
5-12
16
10 Hypoxie, 6 SHT
13-16
11
5 Hypoxie, 6 SHT
17-24
83
12 Hypoxie, 71 SHT
28-45
39
11 Hypoxie, 28 SHT
45+
26
17 Hypoxie, 9 SHT
Gesamt
200
79 Hypoxie, 121 SHT
66 weibliche, 134 männliche Patienten
GCS zu Beginn, nach 6 Stunden, nach 24 Stunden und 1 Woche nach der Schädigung war 6 und kleiner Zeitdauer nach der Hirnschädigung der IMS Behandlungsgruppe war 1 Monat (27 Patienten), 2-23 Monate (Durchschnitt 6 Monate, 172 Patienten), 24 Monate (1 Patient)
Anfängliche Notfälle und Intensivpflege wurden mit der üblichen Behandlung von Atemproblemen, Blutverlust und verbundenen Verletzungen versorgt. Dexamethansone = Kortison (8-16mg/Tag) moderate Hyperventilation, die den arterischen PCO2 bei 3,7- 4,0kPa hielten, und Antiepileptika wurden verabreicht und so bald wie möglich abgesetzt. Furosemide = Entwässerungstabletten (1mg/kg) wurden bei gestiegenem Hirndruck gegeben. Passende Antibiotika wurden bei offenen Wunden oder Fieber gegeben beziehungsweise in manchen Fällen bei Infekten der Atemwege oder des Urinaltrakts.
Prophylaktisch wurden Antibiotika gegeben, wenn der Hirndruck durch Messonden beobachtet wurde. Diagnostische Studien wurden jeweils sobald wie möglich angefertigt. Es wurden keine Barbiturate (Luminal, Trapanal) verwendet.
Die Ergebnisse aller 200 Patienten wurden mit den Ergebnissen einer Kontrollgruppe bestehend aus 33 Patienten des gleichen Alters, Geschlechts und Schädigungsursache verglichen.
Obwohl auch die 33 Patienten der Kontrollgruppe für IMS geeignet gewesen wären, wurden sie aus verschiedenen Gründen von der Therapie ausgeschlossen:
1. Die Angehörigen fühlten sich emotional überfordert, einen schwerbeeinträchtigen Familienangehörigen zuhause zu versorgen - 19 Patienten
2. die Angehörigen hatten bereits eine Einrichtung in Planung und hofften auf Verbesserung in dieser Einrichtung - 5 Patienten
3. die Angehörigen hatten bereits die Hoffnung auf eine Verbesserung aufgegeben und wollten sich nicht neuen Erwartungen aussetzen - 2 Patienten
4. Den Angehörigen wurde von ihrem Arzt von der Teilnahme am Programm abgeraten - 7 Patienten
Alter in Jahren
Anzahl der Patienten
Ursache der Schädigung
2-5
2
Hypoxie
16-19
8
SHT
20-35
14
SHT
35-45
6
SHT
45-62
3
Hypoxie
Gesamt
33
5 Hypoxie, 28 SHT
10 weibliche, 23 männliche Patienten
GCS zu Beginn, nach 6 Stunden, nach 24 Stunden und 1 Woche nach der Schädigung war 6 und kleiner Zeitdauer nach der Hirnschädigung der Kontrollgruppe 1-12 Monate (Durchschnitt 6 Monate)
Leichter Druck auf die Haut, Reizung der Temperaturrezeptoren, Bewegung der Extremitäten, Sehreize, Geruchsreize und Hörreize wurden häufig durchgeführt.
12-14/Tag für 20 min, 6 Tage die Woche Gesamtdauer solange Fortschritte erkennbar von 3 Tagen bis 18 Monaten Erholungsphasen wurden erlaubt und bei bereits lang anhaltendem Koma wurde langsam von 6 auf 12 Stimulationsrunden je Tag gesteigert Die Basis-IMS wurde beendet, wenn der Patient auch nach 4-5 Monaten keine Reaktion zeigte bzw. wenn der Patient erwachte Nach dem Erwachen wurde die IMS in modifizierter Form an die Rehabilitation angepasst
Das Ausmaß der Genesung der 200 Patienten wurde anhand der Glasgow Outcome Scale (GOS) erhoben.
GOS 4 = minimale bzw. keine neurologischen Defizite => gute Erholung GOS 3 = Wach, moderate Beeinträchtigung
GOS 2 = Wach, schwere Beeinträchtigung, aber fähig zu kommunizieren
GOS 1 = Wach, schwere Beeinträchtigung, fähig, Anweisungen zu folgen, aber unfähig zu kommunizieren
„Bleibender vegetativer Status"/Tod
69 Patienten (34,5%) mit gutem bis moderatem Therapie-Ergebnis
37 Patienten GOS 4, 27 (63%) und arbeiten heute oder gehen zur Schule und 32 Patienten haben GOS 3
47 (23,5%) Patienten haben GOS 2
66 (33%) Patienten haben GOS 1
Einige der Patienten mit GOS 2 oder GOS 1 sind auf dem erreichten Stadium geblieben, andere zeigen weitere Fortschritte 18 Patienten (9%) haben keinerlei Verbesserung gezeigt und sind unverändert im Koma verblieben; 10 von ihnen waren zum Zeitpunkt des Therapiebeginns erst 1 Monat im Koma und alle hatten GCS zwischen 4 und 6 zum Zeitpunkt der Hirnschädigung und eine Woche danach; Sie hatten im Vergleich zu den anderen Patienten keine schwereren Schädigungen oder Verletzungen anderer Systeme
Von den 19 Todesfällen (9,5%), die auf verschiedenen Stufen der Therapie auftraten, hatten 3 nichts mit dem Koma an sich zu tun. Ein Patient starb an Lungenkrebs, der sich vier Jahre, nachdem er einen GOS 3 erreicht hatte, gebildet hatte. Zwei Tote erlitten Myokardinfarkte, einer hatte GOS 4, der andere GOS 2 erreicht Alle 33 Patienten (100%) der Kontrollgruppe verblieben im Koma
Vergleiche dieser Studie mit bisherigen anderen Studien sollten vorsichtig angestellt werden, da diesen Studien meist unterschiedliche Annahmen zugrunde liegen. Einige Studien arbeiten mit GCS-Scores von 7 oder 8, wohingegen in dieser Studie der höchste GCS bei 6 lag.
Dennoch steht die Rate von 91% Erweckungen aus dem Wachkoma durch IMS in starkem Gegensatz zu den bisher allgemein anerkannten 10%, die von Plum und Porter 1978 herausgefunden waren.
Nachdem alle 33 Patienten der Kontrollgruppe im Koma verblieben sind, glauben wir, dass die Veränderungen bei 34,5% der Patienten, die bereits monate- oder jahrelangem Verweilen ohne erkennbaren Fortschritt verweilten und nach der IMS einen GOS von 3 oder 4 erreichten, ebenfalls der IMS zugeschrieben werden konnten.
Die größten Ähnlichkeiten mit dieser Studie zeigt die Arbeit von Jennett et al. (1979), die den Einfluss von Alter auf das Koma untersucht. Bei Patienten ohne intrakraniale Hämatome konnten sie eine altersbezogene Todes- oder Wachkomarate von 29-90% feststellen. Unsere Studie zeigt eine Todesrate von weniger als 10% und eine verbleibende Wachkomarate von weniger als 10%.
Im Gegensatz zu den Ergebnissen von Plum und Posner (1978) sowie von anderen Autoren (Levin, Grossman, Rose & Teadsale 1979) hatten in dieser Studie Zeichen einer Hirnstammschädigung keinerlei prognostischen Wert auf das Ergebnis - alle 200 Patienten und die Patienten der Kontrollgruppe hatten eines oder mehrere folgender Symptome einer Hirnstammschädigung:
Erweiterte Pupillen bzw. lichtstarre Pupillen während der Phase des Hirnödems disconjugates Starren/starrer Blick
Okulomotorische Lähmung
Fehlender Würge-, Schluck- oder Hustenreflex
Abnormale Hirnstamm Auditorische Evozierte Antworten = abnormale AEPs
Barbiturate wurden bei keinem der Patienten in der akuten Behandlungsphase benutzt, da diese trotz diverser positiver Effekte für die IMS kontraproduktiv erscheinen. [...]
Diese Studie bestätigt die von unserer Gruppe revidierte Definition von Koma:
Koma ist nicht „das Stadium der Bewusstlosigkeit, aus der der Patient nicht erweckt werden kann", sondern Koma ist „das Stadium der Bewusstlosigkeit, aus der Patient noch nicht erweckt wurde".
Aus diesen Gründen verwenden wir den Begriff „bleibender vegetativer Status" mit großer Zurückhaltung und wenn wir dies doch einmal verwenden müssen, so immer mit Anführungsstrichen. Anhaltendes Koma ist aus unsere Sicht weder ein unbedingt bleibender Status noch ein rein vegetativer, nur solange er nicht behandelt werden darf.
Traditionell wird eine Hirnschädigung als statische und unwiderrufliche Tatsache betrachtet. Dieser therapeutische Nihilismus wurde hauptsächlich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts abgeleitet und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgeschmückt und verfestigt.
Daher sind die Konzepte, Klassifikationen, Diagnosen, Methoden, Techniken und aktuellen Behandlungen hauptsächlich symptomatisch in ihrem Ursprung. Sie richten sich auf das Umfeld des geschädigten Patienten und damit eher auf die Symptome als vielmehr auf das Gehirn, also auf den Grund des Komas, der Lähmung, der Stummheit, der Blindheit, der Taubheit und der unzähligen anderen Probleme, mit denen die hirngeschädigten Patienten behaftet sind.
Dieser Ansatz hat deshalb eher zu palliativen Maßnahmen geführt statt therapeutische Fortschritte für moderat oder weniger stark geschädigte Patienten gebracht.
Diese konventionellen Methoden wurden jedoch nicht durch qualifizierte Studien validiert, sondern basierten auf der irrigen Annahme, dass eine nicht-chirurgische Behandlung des Gehirns von außen nicht möglich ist.
Dem entgegen haben das Team der „Child Brain Developmentalisten" (Entwickler des kindlichen Gehirns) und das Team von „IAHP" Institute for the Archievement of Human Potential (Institut zur Erreichung des menschlichen Potentials) ein Programm gesetzt, dass das geschädigte Zentrale Nervensystem behandelt und nicht die daraus resultierenden Umfeld-Symptome. Sie setzen dabei auf starke Sehreize, Geruchsreize, Hörreize und Gefühlsreize und ein intensives Programm, das die Atmungsfunktionen verbessert.
Um die Barriere der Gehirnschädigung zu überwinden, ist es notwendig, die Häufigkeit, Intensität und Dauer der Stimuli um das Fünf- oder Zehnfache oder sogar noch weiter zu erhöhen.
Im Moment können wir nur darüber spekulieren, dass eine ausreichend starke und häufige Reizung der sensorischen Impulse über verschiedenste Arten Aktivität im ZNS hervorruft. Ob es sich um „schlafende" Neurotransmitter handelt, die erweckt werden, oder um neue Pfade für sensorischen Input und Output im ZNS, bleibt fraglich und muss weiter untersucht werden.
[...] Während alle bisher bekannten Prozesse und Therapien keine zufrieden stellende Erklärung der Mechanismen für das Erwachen aus dem Koma liefern, ist es doch wahrscheinlich, dass viele verschiedene Mechanismen durch die IMS in Gang gesetzt werden, die ihrer in Summe eine sehr große, wenn nicht sogar die ausschlaggebende Rolle für das Erwachen aus dem Koma spielen. [...]
Eine historische Auflistung über das Konzept der IMS, das in 40 Jahren bei der ambulanten bzw. stationären Behandlung von mehr als
15.000 Hirnverletzten Kindern und Erwachsenen entwickelt wurde, ist bei den Autoren auf Nachfrage erhältlich.